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Einleitung: Status quo in Deutschland

Potenziale von hochqualifizierten Migrantinnen liegen brach

Der hohe Anteil von Migrantinnen und Migranten an der deutschen Bevölkerung - mehr als jeder Fünfte hat aktuell einen Migrationshintergrund - verlangt eine besondere Aufmerksamkeit für das Thema. Es ist notwendig, die mehr als 16 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund als eine wichtige Zielgruppe zu betrachten, die sich durch vielfältige Qualifikationen und Kompetenzen auszeichnet und bis jetzt mit zahlreichen Barrieren bei der Arbeitsmarkt- und gesellschaftlichen Integration konfrontiert wird.

Die Gründe für die Probleme von Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt sind divers: von der mangelnden Qualifikation, schlechten Sprachkenntnissen bis zu fehlenden Netzwerken, diskriminierenden Verfahren in der Personalrekrutierung und verbreiteten Stereotypen und Vorurteilen in der Gesellschaft. Diese Barrieren betreffen verschiedene Gruppen der Personen mit Migrationshintergrund in unterschiedlichem Ausmaß, je nach Migrationserfahrung, Herkunftsland, Berufsgruppe etc. Speziell die Zielgruppe der hochqualifizierten Migrantinnen, die im Mittelpunkt dieses E-Learning-Moduls steht, ist umfangreich und vielfältig. Von insgesamt 8,2 Millionen Zuwanderinnen in Deutschland haben 3,3 Millionen einen Berufsabschluss, 959 Tausend sind Akademikerinnen und 41 Tausend haben einen Doktortitel (vgl. Statistisches Bundesamt 2015). Diese Qualifikationspotenziale sind insbesondere für die Wissensgesellschaft der Bundesrepublik, in der Wissen als die wichtigste Ressource gilt, von zentraler Bedeutung.

Allerdings sind die vorhandenen Berufsabschlüsse von Migrantinnen keine Garantie für eine Beschäftigung entsprechend ihrer Qualifikation. Die Analyse der statistischen Daten und der Studien hat gezeigt, dass qualifizierte Migrantinnen oft unter ihrer Qualifikation oder in Teilzeit beschäftigt sind, häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Nicht-Migrantinnen oder dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. Die Potenziale der Qualifikation und der interkulturellen Erfahrung liegen brach, obwohl die Wirtschaft und Gesellschaft den Fachkräftemangel zu spüren beginnen und die interkulturelle Kompetenz in der exportorientierten Wirtschaft besonders gefragt ist.

Durch eine bessere Arbeitsmarktintegration könnten sich zahlreiche Vorteile ergeben, die der Wirtschaft und Gesellschaft allgemein zugutekommen. Qualifizierte Migrantinnen sind gefragte Arbeitskräfte, die vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wichtig sind. Ihre vermehrte Beschäftigung kann einen Beitrag zur Steigerung des Wohlstandes und Nationaleinkommens leisten.
Durch ihre interkulturellen Erfahrungen und internationalen Kontakte können Migrantinnen zu der Erschließung internationaler Märkte und neuer Zielgruppen beitragen und eine neue Art interkultureller Offenheit in Unternehmen und Organisationen prägen. Außerdem sind Migrantinnen eine wichtige Kundengruppe (8,2 Millionen Konsumentinnen), die mit ihrer Kaufkraft eine bedeutende Rolle für den Absatz von Unternehmen spielt. Selbstständige Migrantinnen (aktuell ca. 250 Tausend) sind Arbeitgeberinnen, die Arbeitsplätze schaffen, ausbilden, Steuern und Abgaben zahlen und spezifische Kundengruppen bedienen. Die qualifizierten Migrantinnen zeichnen sich durch ein aktives Gründungsverhalten aus. Besonders oft entscheiden sich Migrantinnen aus Osteuropa und westlichen Industrieländern, die über eine überdurchschnittlich hohe Qualifikation verfügen, für die Selbstständigkeit (vgl. Leicht/Langhauser 2014, S. 29).

Eine wichtige Rolle spielen Migrantinnen - als Frauen und Mütter - in der Integration, da sie Vorbilder für die eigenen Kinder und jüngere Generationen sind. So leisten sie einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration und zu sozialem Frieden. Allgemeiner betrachtet, tragen Migrantinnen zur Bereicherung durch alternative Lebenskonzepte, Weite, Traditionen und kulturelle Gepflogenheiten bei. Internationale Küche aus der ganzen Welt, verschiedene Sitten und Gebräuche, nationale und religiöse Feiertage erweitern Horizonte, bereichern kulturelle Praktiken und den Alltag der Gesellschaft.

Diese Betrachtung zeigt, dass die Potenziale von qualifizierten Migrantinnen genauer analysiert und wertgeschätzt werden sollten, um die Mehrwerte zu erschließen. Es ist notwendig, nicht nur Barrieren und Hindernisse für die Integration von qualifizierten Migrantinnen in die Wirtschaft und Gesellschaft zu untersuchen, sondern auch eine Atmosphäre zu schaffen, die zu der Wertschätzung der Andersartigkeit beiträgt und eine Willkommenskultur kommuniziert.

 © Dieses E-Learning-Modul basiert auf dem Fachbuch "Qualifizierte Migrantinnen in Deutschland. Status quo, Erfolgsfaktoren, Mehrwert" von Swetlana Franken, Inda Kapetanović, Stefanie Pannier, Malte Wattenberg, erschienen im Shaker Verlag (2016).