
Was habe ich zu bieten? - Kompetenzkomponenten
Wenn Sie Ihre Motivation geklärt haben, können Sie eine Bestandsaufnahme Ihrer eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen machen. Was haben Sie zu bieten? Welche Erfahrungen und Kenntnisse bringen Sie mit, die für die Aufgabenerledigung im Aufsichtsrat nützlich sein könnten?
Wichtig sind auch interpersonale Fähigkeiten. Sind Sie teamfähig? Können Sie gut zuhören? Können Sie Ihre Meinung so ausdrücken, dass sich andere sowohl motiviert als auch unterstützt fühlen? Die Arbeit im Aufsichtsrat ist vor allen Dingen Teamarbeit und nur wer es schafft, Interessenkonstellationen zu durchschauen und Koalitionen zu schmieden, kann letztlich erfolgreich gestaltend tätig werden.
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
In Kontrollgremien sind auf Anteilseignerseite Ex-Vorstände und Führungskräfte mit spezifischem Wissen über das Unternehmen selbst (seine Prozesse, Strategien und Zielsetzung) sowie inhaltlicher Expertise sehr beliebte Mitglieder. Nach Meinung vieler Expert(innen) sollte diese Zielgruppe bei der Suche nach potentiellen Mitgliedern aber nicht die einzige sein. Zwar bringen die genannten Insider spezifische Informationen und spezialisiertes Wissen ein, sind aber eher „betriebsblind“ als Externe sowie meist weniger unabhängig als diese.
Externe BranchenkennerInnen, (Ex)-Vorstände und Führungskräfte anderer Firmen (sogenannte „Business Experts“) bringen ebenfalls spezifisches Wissen über Entscheidungsprozesse in Unternehmen sowie das Markt- bzw. Wettbewerbsumfeld mit und sind zudem weniger voreingenommen. Damit können sie alternative Sichtweisen, neue Ideen und unternehmensübergreifende Informationen in das Aufsichtsgremium einbringen und können durch die größere Unabhängigkeit die Glaubwürdigkeit des Gremiums erhöhen.
Andere Berufsgruppen (z.B. RechtsanwältInnen, BankerInnen, Marketing-ExpertInnen, PersonalberaterInnen) können als sogenannte „Support Specialists“ ihr spezifisches Wissen über spezielle Unternehmensfunktionen beisteuern und in vielen Fällen den Informationsfluss zu wichtigen externen Stellen sowie den Zugang zu Ressourcenquellen und UnterstützerInnen erleichtern.
Last but not least können beispielsweise WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen oder VertreterInnen der Zivilgesellschaft ihre Expertise über die Unternehmensumwelt jenseits des Produkt-Markt-Wettbewerbs einbringen und den Informationsaustausch mit einflussreichen gesellschaftlichen Gruppen gewährleisten. Diese „Community Influentials“ können auch als Interessenvertretung nach außen fungieren und tragen damit ebenfalls zur Legitimität des Gremiums bei.
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Können Sie sich in ein Unternehmen hineindenken, in dem Sie keine eigenen Erfahrungen gesammelt haben? Fällt es Ihnen leicht zu erkennen, auf was es dabei ankommt? Viele erfolgreiche Führungskräfte können sich nämlich schwer in ein fremdes Geschäftsfeld hineindenken und reproduzieren lediglich ihre eigenen Erfolgsstrategien – diese funktionieren in einem anderen Umfeld aber nicht immer.
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Mitarbeit in einem Aufsichtsrat ist das Interesse an dieser Aufgabe. Sind Sie wirklich am Unternehmen, seinem Geschäft und seiner gesamten Belegschaft interessiert? Fühlen Sie sich dem Unternehmen ausreichend verpflichtet, um im Bedarfsfall mehr als unbedingt notwendig zu tun? Tragen Ihr Engagement und Ihr Interesse über einen längeren Zeitraum auch ohne eine allzu großzügige Bezahlung?
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Um im Unternehmensinteresse handeln zu können, ist meist ein guter Geschäftssinn hilfreich. Haben Sie den „richtigen Riecher“ für Geschäfte und ein gutes Urteilsvermögen? Können Sie den Nutzen und Wert von strategischen und unternehmerischen Entscheidungen erkennen sowie mögliche damit verbundene Probleme und Barrieren? Können Sie schnell die Knackpunkte erfassen?
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Eine weitere zentrale Anforderung an Aufsichtsratsmitglieder ist deren Integrität. Potentielle Mitglieder müssen wahrheitsliebend und aufrichtig sowie loyal dem Unternehmen gegenüber sein. Sind Sie bereit die Verantwortung für Ihre Entscheidungen zu übernehmen? Wird Ihre erste Priorität das Interesse des Unternehmens sein oder Ihre eigene Position und Reputation? Haben Sie genügend Mut und Selbstbewusstsein, um auch kritische Fragen zu stellen und die eigenen Prinzipien aktiv zu vertreten?
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Eng mit dem Geschäftssinn verbunden sind die Bereitschaft und die Fähigkeit sich wirklich für das Kontrollgremium zu engagieren. Klären Sie für sich im Vorfeld: Haben Sie genügend zeitliche Ressourcen, um sich ernsthaft zu engagieren? Das kann nicht (allein) an der Anzahl der Mandate festgemacht werden, die man bereits innehat, sondern am tatsächlich vorhandenen Zeitaufwand für all die Dinge, die Ihnen wirklich wichtig sind.
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Speziell für deutsche Aufsichtsräte halten die Autoren Werder & Wieczorek* neben der professionellen Sachkompetenz auch Lösungsorientierung sowie Strategie- und Veränderungskompetenz für notwendig. Diese Kompetenzen sind angesichts der besonderen Aufgabenteilung von Vorstand und Aufsichtsrat in Deutschland sehr sinnvoll. Vorstand und Aufsichtsrat sollen zum Wohle des Unternehmens eng zusammen arbeiten, was beinhaltet, dass der Aufsichtsrat in Entscheidungen von grundlegender Bedeutung für das Unternehmen einzubinden ist – Anforderungen, die nicht immer konfliktfrei zu bewältigen sind.
Interessenkonflikte können sich aus der von den Mitbestimmungsregeln des jeweiligen Unternehmens abhängigen Zusammensetzung der Kontrollgremien ergeben. In Deutschland gehören diesen in vielen Fällen sowohl Arbeitnehmer- als auch AnteilseignervertreterInnen an. Deshalb werden als weitere governance-spezifische Qualifikationen die Fähigkeit zum positiv-proaktiven Umgang mit dem Prinzip der Gewaltenteilung, mit der Vielschichtigkeit des Unternehmensinteresses und mit der Forderung nach Transparenz der Unternehmensführung benannt.
*Aufsatz "Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder und ihre Nominierung", Prof. Dr. Axel v. Werder / Dipl.-Math. Bernd J. Wieczorek, Der Betrieb vom 09.02.2007 , Heft 06, Seite 297 - 303
© Dr. Karin Reichel, Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung (HTMI) der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)