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Gabriele Greiner: Vom kleinen Tübingen ins ferne Mexiko

Gabriele Greiner führte schon ihr Studium vom kleinen Tübingen ins ferne Mexiko. In Singapur lernte sie, was "male & pale" bedeutet - aber auch, dass Frauenkarrieren in anderen Ländern etwas ganz Selbstverständliches sind. In Mexiko behauptete sie sich gegen Tequila und "Amigo-Runden" und baute als erste Frau ein German Centre im Ausland auf. Von ihren Erfahrungen rund um den Globus berichtet sie im Gespräch mit Spitzenfrauen-BW. 

Liebe Fr. Greiner, bitte stellen Sie sich unseren Lesern vor.

Ich habe Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Regionalstudien Lateinamerika in Deutschland und Mexiko studiert. Meine Karriere habe ich als Referentin im Auslandsgeschäft bei der LBBW gestartet und den Aufbau der German Centre GmbH (eine Tochter der LBBW-Gruppe) bis in die Geschäftsführungsposition begleitet. Beruflich war ich deshalb viel in Asien unterwegs, zwei Jahre lang habe ich in Singapur eine Tochtergesellschaft geleitet und auch dort gelebt. Danach habe ich als erste Frau ein German Centre von Null aufgebaut – und zwar in Mexiko, wo ich zwei Jahre gearbeitet habe.


Anmerkung der Redaktion: Gabriele Greiner ist eine von über 120 Spitzenfrauen in Baden-Württemberg.

Das heißt, Sie waren am Aufbau aller Zentren beteiligt?

Richtig, das erste German Centre gab es in Singapur, dann folgte ein Centre in Peking, damals schon mit einer Deutsch-chinesischen (weiblich-männlichen) Doppelspitze. Das dritte in Mexiko habe ich als verantwortliche Geschäftsführerin aufgebaut. Dass es so kam, war eine Folge der damaligen Situation: Mitte der 90er Jahre war die Kombination aus Fachwissen und Sprachkenntnissen im Konzern LBBW fast nur bei Frauen vorhanden, auch das Traineeprogramm war stark auf Auslandserfahrung ausgerichtet und es gab in meinem Traineejahrgang nur Frauen mit internationalem Background. Meine persönliche Erfahrung habe ich gleich zu Beginn meiner Berufstätigkeit als Referentin im internationalen Geschäft aufgebaut, in den circa 2 Jahren habe ich auch das Headquarter Office sehr gut kennengelernt.

Sie kannten also auch die deutsche Unternehmenskultur, bevor Sie ins Ausland gingen. Was war nach dem Wechsel ins Ausland in Singapur anders als in Deutschland?

In Singapur habe ich das vorgefunden, was man heutzutage als "male & pale" bezeichnet. Die deutschen Vertreter der "Old Asian Hands " war hauptsächlich eine Gruppe "alter weißer Männer" – alle mit über 20 Jahren Asienerfahrung. Für mich war es sehr schwer, mich in diesem Kreis als junge Frau zu etablieren. Mit den Asiaten selbst habe ich ganz andere Erfahrungen gesammelt: Durch meine Position erfuhr ich sehr große Akzeptanz und die Auseinandersetzung fand auf einer rein inhaltlichen Ebene statt. Asiaten sind nach meiner Erfahrung dies bezüglich sehr viel offener. bzw. pragmatischer.

Würden Sie sagen, dass Frauen in Führungspositionen in Asien akzeptierter sind?

In meinem Arbeitsumfeld gab es auf jeden Fall viele Asiatinnen. In meiner Wahrnehmung waren Frauenkarrieren dort "normaler". Die Frauen haben ein sehr viel selbstbewussteres Auftreten: Sie haben in eine gute Ausbildung investiert und wollen Geld verdienen. Sie wollen auch Kinder, aber es ist ganz normal, dass Frauen bis zum Ende der Schwangerschaft im Büro sind und drei Monate nach der Geburt wieder einsteigen. Ein Kind ist also für Frauen in Singapur kein Grund, auszusetzen – sie sind wesentlich aufstiegsorientierter. Kurz: Es herrscht dort ein ganz anderes, sehr rationales Mindset vor: Ich habe in eine gute Ausbildung investiert, jetzt will ich etwas zurückhaben dafür!

Denken Sie, dass Frauen in Singapur einfacher Karriere machen können als in Deutschland?

Ich würde sagen, es gibt einfach einen natürlicheren Umgang mit Frauenkarrieren. Selbstverständlich muss man sich dort als Frau genauso anstrengen, muss zeigen, was man kann, und seine Netzwerke pflegen. Ich glaube aber auch, dass bei den Frauen dort der Wille zur Karriere stärker vorhanden ist.

Ihre Karriere hat Sie ja nicht nur nach Asien, sondern auch nach Mexiko geführt. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?

Mexiko hat ja das Image eines "Macholandes": Ich habe schon zu Studienzeiten in Mexiko die Erfahrung gemacht, dass das Leben dort anders ist. Damals galt ich als "blond und blauäugig" – dementsprechend haben sich die Männer auf der Straße auch verhalten. Das Interessante war: Im Geschäftsleben war das überhaupt nicht der Fall! Meine geschäftliche Stellung hat mich legitimiert. In Mexiko wird im beruflichen Kontext neben dem Namen auch immer der akademische Titel bzw. der Ausbildungsabschluss genannt - das stellt die Qualifikation ganz klar heraus und hilft sicher.

Was komischerweise nicht geduldet wurde, war, dass ich als Frau beim Geschäftsessen bezahle, selbst wenn die Einladung von mir kam. Hier trafen die gesellschaftliche und die geschäftliche Rolle aufeinander. Für mich war es in den Gesprächen aber immer eine Begegnung auf Augenhöhe.

Traditionelle Tanzaufführung im German Centre in Singapur
Andere Länder, andere Sitten: Traditionelle Tanzaufführung im German Centre in Singapur
Symbolbild zum mexikanischen Feiertag "Dia de los Muertos", dem Tag der Toten, im German Centre
Im German Centre in Mexiko wurde stattdessen der "Dia de los Muertos", der Tag der Toten, gefeiert

Wie sah das in Ihrem Umfeld aus, haben sich Ihre eigenen Erfahrungen dort bestätigt?

Ich hatte in Mexiko viel leichteren Zugang zu Frauen mit denen ich mich auch über ihre Erfahrungen austauschen konnte. Sie haben berichtet, dass sie akzeptiert sind. Ich hatte beispielsweise auch einmal Kontakt mit einer jungen Geschäftsführerin in einem stark männerdominiertem Bereich. Auch sie fühlte sich sehr akzeptiert aufgrund ihrer Position und ihres Fachwissens.

Natürlich muss man gleichzeitig immer kontrollieren, dass einen die "Amigo-Gruppe" nicht unterhöhlt – in Mexiko gibt es sehr mächtige Substrukturen. Zum Beispiel weiß ich von einem deutschen Mittelständler, dass er keine Produktionsstätte mit mehr als 200 Mitarbeitern möchte, damit keine familiären Strukturen im Unternehmen greifen. Das Thema Substrukturen gibt es natürlich auch in Frauenkreisen.

Ist das Thema Familienphase für Karrierefrauen in Mexiko eine Herausforderung?

Die Frauen in Mexiko, die aufgrund ihrer guten Ausbildung arbeiten möchten, können sich eine Kinderbetreuung leisten. Das ist gesellschaftlich auch dort akzeptiert. Insofern ist es für diese Frauen einfacher.

Gibt es in Mexiko oder Singapur eine Frauenquote?

Nein, das ist mir weder aus Singapur noch aus Mexiko bekannt. Trotzdem habe ich im Ausland immer weibliche Vorbilder gefunden, mehr als in Deutschland. Im LBBW-Konzern liegt der Frauenanteil in der Belegschaft bei über 50 Prozent, viele davon arbeiten im Service und in der Kundenbetreuung. Nach oben werden es deutlich weniger. Das hat die Bank inzwischen als Problem erkannt und arbeitet daran, die Karrierechancen von Mitarbeiterinnern zu verbessern. 

Sie haben zuvor Führungskräfteprogramme in Singapur erwähnt: Gibt es in der Potenzialentwicklung Quoten?

Diversity ist das Ziel, und das ganz klar auch bei Führungskräften. In Singapur ist Diversity aber vielmehr im Sinn von Interkulturalität und Ausbildung ein Thema und weniger in Bezug auf Gender.

Worin sehen Sie Hürden für Frauenkarrieren in Deutschland?

In Singapur oder Mexiko habe ich viele Frauen getroffen, die den festen Willen hatten, Karriere zu machen und die Familienplanung in den Karriereplan zu integrieren. In Deutschland ist das anders. Ein bisschen haben die Frauen hier die Hürde im Kopf, dass Karriere- und Familienplanung zwei unterschiedliche Themen sind Wir haben in Deutschland einen seltsamen Umgang mit der Familienphase – auch vom Arbeitgeber aus. Ein Kind wird von vorneherein als Bruch in der Karriere gesehen. Die Möglichkeiten, wie die Karriere mit Kind funktionieren kann, werden erst gar nicht diskutiert. Ich habe aber den Eindruck, dass sich dies in Deutschland aktuell ändert. 

Gibt es in Ihren Augen Instrumente oder Empfehlungen, die sich aus dem Ausland nach Deutschland übertragen lassen?

Wir nutzen in meinen Augen die Flexibilität, die wir in Deutschland haben, leider nicht aus. Das Thema Familie und Familienplanung wird in Mitarbeitergesprächen i.d.R. nicht aktiv angesprochen. Schon das behindert die Karriereplanung. Potenzialentwicklung geht auch in und nach der Familienphase, wenn für beide Seiten Offenheit besteht. Dies gilt im Übrigen sowohl für Frauen als auch für Männer, die m.E. leider immer noch zu wenig die Familienphase nutzen und in ihre Karriereplanung integrieren.

Sehen Sie politischen Handlungsbedarf, um gesellschaftliche Strukturen zu verändern?

Ich bin immer überzeugt gewesen, dass Quoten nichts bringen, sondern Qualifikation wichtig ist. Ich sehe aber auch, dass sich über die Jahre wenig geändert hat. Die Selbstverwaltung der Wirtschaft sollte man "monitoren". Ich denke auch, es ist ein großer Unterschied, ob eine Quote auf einen Arbeitnehmermarkt oder einen Arbeitgebermarkt trifft: Die Wirkung ist bei ersteren viel stärker Beispielsweise in Mexiko und Russland erlebe ich aktuell, dass dies eher Arbeitsnehmermärkte sind, da ist die Mitarbeiterbindung insgesamt eine große Herausforderung für Unternehmen.

Was wäre Ihr Rat für deutsche Unternehmen, um mehr Frauen in Führung zu bringen?

Mein Rat wäre, das Potenzial von Frauen auch frauenspezifisch anzusprechen: Frauen muss man anders motivieren, vielleicht auch stärker ermutigen. Außerdem: Anspruchsvolle Teilzeitaufgaben anbieten und Führung in Teilzeit oder im Tandem ermöglichen sowie Familienplanung in die Potentialentwicklung "einplanen".

Und Ihr Rat an die deutschen Frauen wäre?

Macht euch Gedanken: Wo wollt Ihr hin?  Zeigt euren Karrierewillen, fordert die Karriereplanung ein und macht euch euren Wert bewusst!

Herzlichen Dank für das spannende Gespräch und weiterhin alles Gute für Sie.