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Bernadette Dambacher: "Die Strukturen für Frauenkarrieren sind in Portugal vorhanden - und die Frauen nutzen diese Chance auch."

Bernadette Dambachers Karriere ist alles - außer gewöhnlich: Vom elternlichen Bauernhof auf der Schwäbischen Alb aus startete sie erst in das internationale London der 80er Jahre. Dann führte sie ihr Studium vom hohen Norden Deutschlands (Bremen) in den Süden Europas (Florenz, Italien). In Stuttgart lernte sie die Bankenbranche kennen, ihr Herz schlug aber schon zu Beginn ihrer Karriere für die Bildung und sie entdeckte ihre Freude am Führen. Beides konnte sie in Portugal optimal verbinden. 

Liebe Frau Dambacher, bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor:

Mein Werdegang ist etwas ungewöhnlich: Aufgewachsen bin ich auf der Ostalb, nach dem Abitur habe eine Berufsausbildung auf dem Bauernhof meiner Eltern gemacht. Um neue Erfahrungen zu sammeln, eine andere Perspektive kennenzulernen und meine Sprachkenntnisse zu verbessern, bin ich nach London gezogen. Dort konnte ich in der Gastronomie schnell nach vorne kommen: Mit nur 23 Jahren war ich Chefin von 40 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Es war eine tolle Zeit - in den 80ern in einer internationalen Stadt: Insgesamt bin ich drei Jahre in London geblieben.

In London wurde mir klar, dass ich international arbeiten will. So bin ich an die Hochschule Bremen gegangen, um dort Wirtschaft mit dem Schwerpunkt European Finance and Accounting zu studieren. Mein Auslandssemester hat mich nach Florenz geführt – damit war ich dreisprachig mit Englisch, Französisch (ich hatte LK Französisch bis zum Abi) und Italienisch. Im Nebenjob habe ich an der Hochschule Förderprogramme der EU durchgeführt und mich um internationale Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme gekümmert.

Nach Ihrem Studienabschluss sind Sie aber zunächst in Deutschland geblieben?

Nach meinem Abschluss bekam ich an der Hochschule Bremen die Chance, internationale Studiengänge aufzubauen – das habe ich ein paar Jahre lang gemacht und gleichzeitig einen Master of Business Administration in Global Management erworben. Mit diesem Abschluss bin ich dann zur Baden-Württembergischen Bank nach Stuttgart gewechselt und habe dort als Produktmanagerin für das internationale Geschäft gearbeitet.

Wie haben Sie diesen Karriereschritt – zurück ins Ländle und als Frau in die Bankenbranche - erlebt?

Für mich war das ein Schritt in ein sehr konservatives Umfeld und auch das Bankwesen lag mir nicht so besonders.  Ich wollte auf jeden Fall wieder zurück in die Bildungsbranche.

Letztendlich hat es Sie auch wieder ins Ausland gezogen: Wohin führte Sie Ihr Weg?

Über einen Zwischenstopp als Leiterin des Akademischen Auslandsamtes der Fachhochschule Bielefeld folgte ich einem Angebot der Auslandshandelskammer (AHK Portugal) nach Lissabon, wo ich von 2007 bis 2011 arbeitete und lebte. Die AHK Portugal bietet seit 1983 berufliche Aus- und Weiterbildung nach dem deutschen Dualen Ausbildungsmodell an. Meine Aufgabe dort war die Leitung der drei Qualifizierungszentren in Lissabon, Porto und an der Algarve.

Der Internationalität bin ich auch später treu geblieben: Nach fast vier Jahren in Portugal war ich einige Jahre in der Geschäftsführung des Bildungszentrums der IHK Karlsruhe und in dieser Funktion auch zuständig für internationale Bildungsprojekte. Viel unterwegs auf der ganzen Welt war ich auch als Leiterin des International Student Office des Karlsruher Instituts für Technik (KIT).

In der Zwischenzeit bin ich selbstständig als Trainerin und Unternehmensberaterin und arbeite viel mit internationalen Führungskräften. Dabei kann ich meine Erfahrungen aus verschiedenen Ländern und Branchen ganz hervorragend und vielseitig einbringen.

Bernadette Dambacher auf Erkundungstour in London
In der quirligen Großstadt war ihr Wirkungskreis ein Restaurant in Waterloo Station

Thema Frauenkarrieren: Wie wurden Sie in Portugal als Frau in Ihrer Führungsposition aufgenommen?

Ich wurde gut aufgenommen. Portugal verfügt aufgrund seiner Geschichte und der über 50-jährigen Diktatur über eher wenig Akademiker und qualifizierte Führungskräfte aus Deutschland sind dort willkommen. Als Vertreterin der AHK wurde ich respektiert – das sagte schon mein Titel „Dottora Dambacher“. Alle Akademikerinnen werden in Portugal als "Dottora" angesprochen, so wird grundsätzlich der Respekt zum Ausdruck gebracht. Die AHK ist die größte bilaterale Handelskammer in Portugal und sowohl bei den Unternehmen als auch bei staatlichen Stellen als Repräsentanz der deutschen Wirtschaft sehr hoch angesehen.

Durch Ihre Position hatten Sie Einblick in viele unterschiedliche portugiesische Unternehmen: Was können Sie zu den Karrierestrukturen sagen?

Portugal ist ein ziemlich patriarchalisch geprägtes Land. Doch nach der Diktatur wurden sehr viele Institutionen mit Hilfe der EU neu aufgebaut: Daher gibt es beispielsweise eine gute Kinderbetreuung und Förderprogramme für Frauen. Das heißt, die Strukturen, die Frauen brauchen um Karriere zu machen, sind vorhanden – und die Frauen nutzen diese Chance auch. Ich hatte in meinem Bereich fast nur Frauen - alle jung und engagiert, direkt von der Uni.

Haben es Frauen in Portugal leichter, Karriere zu machen?

Das nicht unbedingt, aber Frauenkarrieren sind in Portugal eher gesellschaftlich akzeptiert. Zum Beispiel sind bei der Elternzeit vier Monaten Standard – danach kommen Frauen, die Karriere machen wollen, zurück in den Beruf. Das ist möglich, weil die Kitas auch abends oder am Wochenende geöffnet haben. Frauen oder Eltern können also auch Dienstreisen machen. Und ganz wichtig: Es ist ganz normal, sein Kind in die Betreuung zu geben. Die Rabeneltern-Diskussion gibt es nicht.

Übrigens wird die viermonatige Elternzeit komplett durch den Staat bezahlt. Das heißt, das Unternehmen hat keinen finanziellen „Nachteil“, wenn es Frauen einstellt!

An der Algarve: Gespräch mit dev Verantwortlichen für die Ausbildung in der Küche
Auch Probeessen bei den Prüfungen gehört zum Job

Gelangen Frauen auch in verantwortungsvolle Positionen?

So lange es keine Quote gibt, ist es für Frauen schwierig, die jahrhundertealte Männerdominanz zu umgehen. An der Spitze wird es auch für Frauen in Portugal eng, aber bis zum Mittleren Management gelangen Frauen durchaus. Schön ist auch, dass die Gehaltsstrukturen für Männer und Frauen ähnlich sind. Für Positionen bis zur Ebene der Abteilungsleitung gibt es Vorschriften bzw. Empfehlungen. Gehaltsverhandlungen gibt es – anders als in Deutschland – erst ab einem höheren Karrierelevel.

Wie sieht es in Großbritannien aus? Dort hatten Sie ja in kurzer Zeit Führungsverantwortung erhalten.

Zu meinen Erfahrungen in London kann ich sagen: Wenn man da was konnte – egal, ob als Frau oder mit Migrationshintergrund, kam man weiter – und das schon vor 30 Jahren! Das hat sicher auch mit der Kultur zu tun, denn das Land hat eine lange Tradition der Immigration und die Gesellschaft hat sehr früh darauf geantwortet. Insbesondere in London erlebt man eine Offenheit und Diversität, von der wir in Deutschland heute noch sehr weit entfernt sind.

Was wäre Ihr Wunsch für Deutschland - was müssten oder könnten wir besser machen?

Auf der politischen Ebene bin ich eine klare Befürworterin der Quote. In allen Bereichen sollten wir daran arbeiten, mehr Männer in „Frauenberufe“ und mehr Frauen in „Männerberufe“ zu bringen. Das erfordert auch, schon Kleinkindern ein anderes Rollenmodell vorzuleben: In Deutschland lernen Kinder nach wie vor oft die traditionelle Rollenverteilung.

In vielen Ländern gibt es beispielsweise so etwas wie das Ehegattensplitting nicht: Beide Partner werden gleich besteuert und das Einkommen von Frauen trägt dort sehr wohl zum Familieneinkommen bei!

Unternehmen sollten ganz gezielt in die Analyse gehen und auf diesem Weg für transparentere Prozesse beispielsweise bei Einstellungsverfahren und Beförderungen sorgen. Eine gute Frage für die Analyse wäre auch: Warum verlassen Frauen die Firma? Mit einem guten Monitoring kann man erfolgreiche Frauenförderung innerhalb des Unternehmens mit Prämien belohnen bzw. in Zielvereinbarungen (auch für männliche Führungskräfte) verankern.

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Müssen auch Frauen etwas ändern? Wollen deutsche Frauen vielleicht gar keine Karriere machen?

Meiner Erfahrung nach zweifeln Frauen immer an ihren Fähigkeiten: Ich wünsche allen Frauen mehr Mut und Selbstvertrauen. Denn so lange Karriere ein Kampf gegen die Männer ist, wird es für Frauen immer schwierig bleiben. Diese doppelte Hürde kann man nehmen – dazu gehören aber neben der Qualifizierung vor allem gutes Selbstmarketing. Frauen müssen auch ihre Netzwerke professioneller nutzen: Networking ist nichts Anrüchiges! Und Frauen müssen sich auch trauen, mehr Geld zu verlangen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Männer, die die gleichen Jobs vor mir hatten, deutlich jünger und weniger qualifiziert waren als ich, aber mehr verdienten – was ich allerdings immer erst später erfahren habe!

Aktuell haben Frauen die besten Chancen, denn sie können den Generationen-Wechsel für sich nutzen: Keiner will mehr Karriere nach der alten Schule machen - auch Männer nicht! Wir alle müssen Karriere neu denken: Führungspositionen wurden mal auf einen bestimmten Aufgabenbereich und dafür 100 Prozent definiert, aber man könnte diese Aufgaben doch auch anders strukturieren und auf 70 oder 80 Prozent reduzieren und auf mehrere Personen verteilen!

Solche Blockaden müssen wir aufbrechen.

Ein wunderbares Schlusswort: Vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch und die spannenden Einblicke!